Montag, März 03, 2008

F. Scott Fitzgerald: Familie im Wind (Auszug)

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Butch Janney hatte den halben Heimweg bereits hinter sich, als er sie sah - eine riesige schwarze näherkommende Wolke, deren unterer Rand den Boden berührte. Während er noch verdutzt auf diese Erscheinung starrte, schien sie sich auszudehnen, bis sie den ganzen südlichen Himmel bedeckte, und er sah blasses elektrisches Feuer darin und hörte ein immer lauter werdendes Heulen.

Er war jetzt mitten in einem heftigen Wind; fliegende Trümmer, Stücke von abgebrochenen Ästen, Splitter, größere Gegenstände, die in der zunehmenden Dunkelheit nicht zu erkennen waren, flogen an ihm vorbei. Einem Instinkt gehorchend, stieg er aus seinem Auto aus, und da er sich in dem Wind kaum mehr aufrecht halten konnte, rannte er zu einer Böschung hin, oder vielmehr wurde er umgerissen und gegen die Böschung gepreßt. Dann befand er sich eine Minute lang, zwei Minuten lang im schwarzen Mittelpunkt der Hölle.

Zuerst war da das Geräusch, und er selbst war ein Teil dieses Geräuschs, war so völlig von ihm verschlungen und von ihm besessen, daß er außerhalb dieses Geräusches gar nicht mehr existierte. Es war eine Vielzahl von Geräuschen, es war das Geräusch selber; ein großer kreischender Bogen, der über die Saiten des Universums gezogen wurde. Das Geräusch und die unwiderstehliche Gewalt waren untrennbar. Das Geräusch ebenso wie die Gewalt nagelten ihn wie einen Gekreuzigten an der Böschung fest, die er fühlen konnte. Irgendwann in diesem ersten Augenblick, eine Seite seines Gesichts an den Boden geheftet, sah er, wie sein Auto einen kleinen Hüpfer machte, eine halbe Drehung vollführte und dann in großen, hilflosen Sprüngen über ein Feld setzte.


Dann begann das Bombardement, und das Geräusch teilte sich in ein Kanonendonnern und in das Knattern eines riesigen Maschinengewehrs. Er war nur halb bei Bewußtsein, als er fühlte, wie er selber Teil eines solchen Knatterns wurde, wie er von der Böschung fortgerissen und durch die Luft geschleudert wurde, durch eine blindmachende zerfleischende Masse von Zweigen und Ästen, und dann wußte er eine unbestimmbare Zeitlang überhaupt nichts mehr.

Sein Körper schmerzte. Er lag zwischen zwei Ästen in der Krone eines Baumes; die Luft war voller Staub und Regen, und er konnte nichts hören; es dauerte lange, bevor er merkte, daß der Baum, in dem er hing, umgerissen worden war und daß sein ungewollter Notsitz zwischen den Fichtennadeln sich nur anderthalb Meter über dem Erdboden befand.

,,Mann!" schrie er laut, zutiefst beleidigt, ,,Mann, was für ein Wind! Mann!"


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