Montag, März 03, 2008

F. Scott Fitzgerald: Ein Diamant, so groß wie das Ritz

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Im hellen Sternenlicht erhob sich am Ufer des Sees ein wunderschönes Schloß, stieg in marmorner Helle zur halben Höhe des neben ihm aufragenden Berges empor und verschwand dann in Anmut, in vollkommener Symmetrie, in halb durchsichtiger femininer Zartheit im dichten Dunkel eines Fichtenwaldes.

Die vielen Türme, der schlanke Zierat der schrägen Brüstungen, das feingemeißelte Wunder der tausend gelben Fenster mit ihren Rechtecken und Achtecken und Dreiecken von goldenem Licht, die sich schneidenden Flächen von Sternenlicht und blauem Schatten, all das zitterte in Johns Seele wie ein Musikakkord.

Auf der Spitze eines der Türme, des höchsten, dessen Fundament am schwärzesten war, schufen außen angebrachte Lichter eine Art schwebendes Feenland - und als John bezaubert hinaufblickte, wehte der schwache Klang von Violinen zu ihm hinunter in einer Rokokoharmonie, die mit nichts zu vergleichen war, was er je zuvor gehört hatte.

Einen Augenblick später hielt das Auto vor einer hohen, breiten Marmortreppe, und zahllose Blumen erfüllten die Nachtluft ringsum mit Duft. Am Ende der Treppe öffneten sich geräuschlos große Türflügel, und bernsteinfarbenes Licht flutete in die Dunkelheit hinaus, in dem sich wie ein Schattenriß die Gestalt einer wunderschönen Frau mit schwarzem, hochgestecktem Haar abzeichnete, die ihnen die Arme entgegenstreckte.
,,Mutter", sagte Percy, ,,das ist mein Freund John Unger aus Hades."

Hinterher erinnerte sich John an diesen ersten Abend als an ein verwirrendes Durcheinander von Farben, von schnell wechselnden Sinneseindrücken, von Musik, die so sanft wie die Stimme eines Verliebten, und von schönen Dingen, Schönheit in Lichtern und Schatten, Bewegungen und Gesichtern.

Da war ein weißhaariger Mann, der einen vielfarbigen stärkenden Trank aus einem kristallenen Fingerhut mit einem goldenen Stiel schlürfte.

Da war ein Mädchen mit einem Blumengesicht, gekleidet wie Titania, mit ins Haar geflochtenen Saphiren.

Da war ein Zimmer, in dem das feste, sanft schimmernde Gold der Wände unter dem Druck seiner Hand nachgab, und ein Zimmer, das wie die Wirklichkeit gewordene endgültige Stätte aussah.

Decke, Fußboden und Wände bedeckte eine fugenlose Schicht aus Diamanten, Diamanten jeder Größe und Form; und erhellt von großen violetten, in den Ecken angebrachten Lampen, blendete es die Augen mit einem weißen Glanz, der nur mit sich selbst verglichen werden konnte, da er jenseits aller menschlichen Wünsche und Träume lag.

Durch ein Labyrinth solcher Räume wanderten die beiden Jungen. Manchmal flammte der Boden unter ihren Füßen, von unten beleuchtet, in strahlenden Mustern auf, Mustern mit barbarischen, nicht miteinander harmonierenden Farben, Mustern in zarten Pastelltönen, in reinem Weiß; oder John erblickte kunstvolle, komplizierte Mosaiken, die sicher aus irgendeiner Moschee am Adriatischen Meer stammten. Manchmal sah er unter Schichten von dickem Kristall blaues oder grünes Wasser wirbeln, in dem es springlebendige Fische und regenbogenfarbiges Blätterwerk gab. Dann wieder schritten sie auf Pelzen jeglicher Art und Farbe dahin durch Korridore aus bleichestem Elfenbein...

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