(...)
Schon sah ich dunkel die Marmorklippen ragen, wie schwarze Riffe am Lavameer. Und während ich die Hunde im Rücken hörte, erklomm ich hastig die schroffe Zinne, von deren Rande unser Auge so oft im hohen Rausche die Schönheit dieser Erde in sich eingetrunken hatte, die ich nun im Purpurmantel der Vernichtung sah.
Nun war die Tiefe des Verderbens in hohen Flammen offenbar geworden, und weithin leuchteten die alten und schönen Städte am Rande der Marina im Untergange auf. Sie funkelten im Feuer gleich einer Kette von Rubinen, und kräuselnd wuchs aus den dunklen Tiefen der Gewässer ihr Spiegelbild empor. Es brannten auch die Dörfer und die Weiler im weiten Lande, und aus den stolzen Schlössern und den Klöstern im Tale schlug hoch die Feuersbrunst empor. Die Flammen ragten wie goldene Palmen rauchlos in die unbewegte Luft, indes aus ihren Kronen ein Feuerregen fiel. Hoch über diesem Funkenwirbel schwebten rot angestrahlte Taubenschwärme und Reiher, die aus dem Schilfe aufgestiegen waren, in der Nacht. Sie kreisten, bis ihr Gefieder sich in Flammen hüllte, dann sanken sie wie brennende Lampione in die Feuersbrunst hinab.
Als ob der Raum ganz luftleer wäre, drang nicht ein Laut herauf; das Schauspiel dehnte sich in fürchterlicher Stille aus. Ich hörte dort unten nicht die Kinder weinen und die Mütter klagen, auch nicht das Kampfgeschrei der Sippenbünde und das Brüllen des Viehes, das in den Ställen stand. Von allen Schrecken der Vernichtung stieg zu den Marmorklippen einzig der goldene Schimmer empor. So flammen ferne Welten zur Lust der Augen in der Schönheit des Unterganges auf.
Auch hörte ich nicht den Schrei, der meinem Mund entstieg. Nur tief in meinem Inneren, als ob ich selbst in Flammen stünde, hörte ich das Knistern der Feuerwelt. Und nur dies feine Knistern konnte ich vernehmen, während die Paläste in Trümmer fielen und aus den Hafenspeichern die Getreidesäcke hoch in die Lüfte stiegen, um glühend zu zersprühen. Dann flog, die Erde spaltend, der große Pulverturm am Hahnentore auf. Die schwere Glocke, die seit tausend Jahren den Belfried zierte und deren Klänge Unzählige im Leben und im Sterben geleitet hatten, begann erst dunkel und dann immer heller aufzuglühen und stürzte endlich, den Turm zermalmend, aus ihrem Lager ab. Ich sah die Giebelfirste der Säulentempel in roten Strahlen leuchten, und von den hohen Sockeln neigten sich mit Schild und Speer die Götterbilder nieder und sanken lautlos in die Glut.
(...)
Aus: Ernst Jünger: Auf den Marmorklippen (Roman)
Berlin, 1998, Ullstein, S. 124f
Schon sah ich dunkel die Marmorklippen ragen, wie schwarze Riffe am Lavameer. Und während ich die Hunde im Rücken hörte, erklomm ich hastig die schroffe Zinne, von deren Rande unser Auge so oft im hohen Rausche die Schönheit dieser Erde in sich eingetrunken hatte, die ich nun im Purpurmantel der Vernichtung sah.
Nun war die Tiefe des Verderbens in hohen Flammen offenbar geworden, und weithin leuchteten die alten und schönen Städte am Rande der Marina im Untergange auf. Sie funkelten im Feuer gleich einer Kette von Rubinen, und kräuselnd wuchs aus den dunklen Tiefen der Gewässer ihr Spiegelbild empor. Es brannten auch die Dörfer und die Weiler im weiten Lande, und aus den stolzen Schlössern und den Klöstern im Tale schlug hoch die Feuersbrunst empor. Die Flammen ragten wie goldene Palmen rauchlos in die unbewegte Luft, indes aus ihren Kronen ein Feuerregen fiel. Hoch über diesem Funkenwirbel schwebten rot angestrahlte Taubenschwärme und Reiher, die aus dem Schilfe aufgestiegen waren, in der Nacht. Sie kreisten, bis ihr Gefieder sich in Flammen hüllte, dann sanken sie wie brennende Lampione in die Feuersbrunst hinab.
Als ob der Raum ganz luftleer wäre, drang nicht ein Laut herauf; das Schauspiel dehnte sich in fürchterlicher Stille aus. Ich hörte dort unten nicht die Kinder weinen und die Mütter klagen, auch nicht das Kampfgeschrei der Sippenbünde und das Brüllen des Viehes, das in den Ställen stand. Von allen Schrecken der Vernichtung stieg zu den Marmorklippen einzig der goldene Schimmer empor. So flammen ferne Welten zur Lust der Augen in der Schönheit des Unterganges auf.
Auch hörte ich nicht den Schrei, der meinem Mund entstieg. Nur tief in meinem Inneren, als ob ich selbst in Flammen stünde, hörte ich das Knistern der Feuerwelt. Und nur dies feine Knistern konnte ich vernehmen, während die Paläste in Trümmer fielen und aus den Hafenspeichern die Getreidesäcke hoch in die Lüfte stiegen, um glühend zu zersprühen. Dann flog, die Erde spaltend, der große Pulverturm am Hahnentore auf. Die schwere Glocke, die seit tausend Jahren den Belfried zierte und deren Klänge Unzählige im Leben und im Sterben geleitet hatten, begann erst dunkel und dann immer heller aufzuglühen und stürzte endlich, den Turm zermalmend, aus ihrem Lager ab. Ich sah die Giebelfirste der Säulentempel in roten Strahlen leuchten, und von den hohen Sockeln neigten sich mit Schild und Speer die Götterbilder nieder und sanken lautlos in die Glut.
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Aus: Ernst Jünger: Auf den Marmorklippen (Roman)
Berlin, 1998, Ullstein, S. 124f